Achillessehnenschmerzen zählen zu den häufigsten Beschwerden bei Läufer:innen – und sind oft hartnäckig. In dieser Folge sprechen wir mit Sportwissenschaftlerin und Physiotherapeutin Sarah Hahn (alias “die Gesundeheitsheldin”) darüber, wie Achillessehnenprobleme tatsächlich entstehen und welche Rolle Schuhwerk, Technik und Trainingssteuerung dabei spielen.
Gründe für Achillessehnenprobleme
Hast du auch schon mal Probleme mit der Achillessehne gehabt? Achillessehnenprobleme gehören zu den häufigsten Laufverletzungen und treten bei etwa 6 % bis 17 % aller Laufverletzungen auf. Je wettkampforientierter du bist, desto wahrscheinlicher ist es, dass du auch damit zu kämpfen haben wirst. Generell können ein höheres Laufpensum und weniger Regeneration Risikofaktoren sein. Schnell gesteigerte Trainingsumfänge oder rasche Änderungen des Laufstils, wie etwa eine Umstellung auf den Vorfußlauf, überlasten die Achillessehne sehr. Ein neu eingeführtes Trainingslevel solltest du zwei bis drei Einheiten lang konstant halten, damit dein Körper Zeit zur Anpassung hat. Du solltest also bestenfalls vermeiden alle Trainingsparameter wie Umfang, Frequenz und Intensität gleichzeitig zu steigern.
Darüber hinaus spielen Genetik und die Beschaffenheit des Bindegewebes eine gewisse Rolle. Menschen mit weicherem Bindegewebe sind anfälliger für Sehnenbeschwerden. Wenn eine Fußfehlstellung zu sehr schnellen, unkontrollierten Bewegungen führt, kann dies eine ungleichmäßige Belastung der Achillessehne verursachen. Zudem gibt es Literatur, die einen Zusammenhang zwischen eingeschränkter Sprunggelenksbeweglichkeit und Achillessehnenproblemen nahelegt. Eine ausreichende Beweglichkeit in Zehen und Sprunggelenk ist wichtig, um beim Laufen den Vortrieb ohne Kompensationsmechanismen zu generieren. Alte Sprunggelenksverletzungen, bei denen die Beweglichkeit nie wieder vollständig hergestellt wurde, können Jahre später zu Achillessehnenbeschwerden führen.
Auch die Wahl des richtigen Schuhwerks spielt eine Rolle. Carbonschuhe zum Beispiel sind steif und beeinflussen das natürliche Abrollverhalten, was die Achillessehne stärker beansprucht. Neue Schuhe, wie Carbonschuhe, solltest du deshalb langsam einführen, um der Sehne Zeit zur Anpassung zu geben. Ähnliches gilt für Barfußschuhe: Eine schnelle Umstellung auf Barfußschuhe kann den Laufstil verändern, was zu einer stärkeren Belastung der Achillessehne und Fußsohle führt.
Wiedereinstieg nach der Verletzung
Es ist passiert – die Achillessehne macht Probleme. Wie machen wir den Wiedereinstieg ins Training wieder möglich? Achillessehnenprobleme treten meist schleichend auf, selten plötzlich. Anfangs sind die Beschwerden belastungsabhängig, das heißt, sie treten oft gegen Ende des Laufs oder am nächsten Tag auf, als Steifigkeit oder leichter Schmerz. Manchmal fühlt sich die Sehne auch druckempfindlich an. Wenn ein Zwicken oder Unbehagen bei längeren Läufen, zum Beispiel ab Kilometer 8, zwei- bis dreimal auftritt, solltest du hellhörig werden. Ignorierst du diese ersten Warnzeichen, verschlechtert sich der Zustand oft.
Ist die Verletzung erst einmal da, ist gezieltes Sehnentraining entscheidend. Dabei muss man die Sehne schwer belasten, sofern sie es zulässt. Oft ist professionelle Hilfe nötig, um den richtigen Trainingsplan und die passende Intensität zu finden. Die Physiotherapie kann hierbei unterstützen, indem sie individuelle Übungen bereitstellt, die die Sehne fordern, aber nicht überfordern. Begleitend überprüfen und bearbeiten sie auch Bewegungseinschränkungen, zum Beispiel im Sprunggelenk oder auch Kraftdefizite in der gesamten Kette. Ein Physiotherapeut kann zudem den Laufstil analysieren, um ungünstige Bewegungsmuster zu identifizieren. Ein erster Laufversuch kann gestartet werden, sobald Sprünge in einbeiniger Variante gut funktionieren oder die Sehne weniger druckschmerzhaft ist und die sogenannte „Schmerzampel“ erfüllt ist.
Die meisten Betroffenen brauchen 9 bis 12 Monate für die Heilung, manche sogar länger. Diese Zeitspanne bedeutet jedoch nicht, dass du erst dann wieder mit dem Laufen beginnst. Vielmehr erreichst du nach dieser Zeit wieder dein gewünschtes Leistungsniveau. Innerhalb dieser 12 Monate integrierst du das Laufen schrittweise wieder in dein Training, meist ab der Hälfte der Therapiezeit. Sarah weist zum Schluss darauf hin, dass es beim Wiedereinstieg vor allem wichtig ist, die Sehne auch wirklich zu belasten, so gut es geht. Rückfälle passieren oft, weil das Training nicht ausreichend intensiv durchgeführt wird und die Umfänge beim Wiedereinstieg zu schnell steigen. Muskelzuwachs und Sehnenanpassung geschehen nur, wenn das Training wirklich anstrengend ist und nicht nur halbherzig. Viele Behandlungen sind leider zu passiv und setzen nicht ausreichend auf die notwendige Belastung der Sehne.
Präventivmaßnahmen bei Achillessehnenproblemen
Die erste Maßnahme ist natürlich, auf die Zeichen deines Körpers zu hören! Wenn Schmerz ab Kilometer 8 auftritt, solltest du die Laufstrecke reduzieren, zum Beispiel auf 7 km, um weitere Reizung zu vermeiden. Eine Reduzierung der Trainingsfrequenz, etwa von drei auf zwei Mal pro Woche, kann dem Körper mehr Regenerationszeit geben.
Doch was kann man sonst noch unterstützend tun? Krafttraining, insbesondere Ganzkörperkrafttraining, ist essenziell für Läufer, um die Beinmuskulatur und den gesamten Körper zu stärken. Krafttraining macht Läufer schneller und deutlich weniger anfällig für Verletzungen. Das Krafttraining sollte anstrengend sein, nahe am Muskelversagen, ein- bis zweimal pro Woche. Lauf-ABC kann helfen, die Lauftechnik und -ökonomie zu verbessern, indem es beispielsweise das Aufsetzen des Fußes unter dem Körperschwerpunkt fördert.
Ein Warm-up ist ebenfalls sinnvoll, um den Kreislauf hochzufahren und den Körper auf die bevorstehende Belastung vorzubereiten. Beim Laufen, besonders vor Intervallen, sollte man mit 5-10 Minuten lockeren Tempos beginnen. Dehnungen sind im Warm-up nicht notwendig. Im Gegensatz dazu ist Faszientraining, wie Foam Rolling, weniger hilfreich für die Prävention. Es führt zu kurzfristiger Schmerzreduktion, verändert aber nichts an den Strukturen und ist keine Präventionsmaßnahme. Auch Dehnungen und Yoga sind nicht zwingend notwendig für Läufer:innen, es sei denn, es liegt eine tatsächliche Bewegungseinschränkung vor. Wenn die Zeit im Trainingsplan also begrenzt ist, sollte Krafttraining Vorrang vor Yoga oder Dehnungen haben.
Was die Schmerzampel genau ist und wie sie uns bei solchen Beschwerden helfen kann oder wie hilfreich Kühlen und Tapes sind, erfährst du ebenfalls in der Folge. Diese gibt es wie immer auf Spotify, Apple Podcasts oder auch auf YouTube im Videoformat.