Die meisten Läufer:innen haben in ihrem Leben früher oder später mit Verletzungen und Laufpausen zu kämpfen – aber dann gibt es auch die, die trotz hoher Umfänge unverletzt bleiben. Was ist ihr Geheimnis? Wie bleibt man als Läufer:in langfristig gesund, motiviert und leistungsfähig? In dieser Folge sprechen wir mit Sportmediziner und Marathonläufer Dr. Paul Schmidt-Hellinger über die Grundlagen eines nachhaltigen Lauftrainings – körperlich wie mental.
Kann jede:r Laufen zum Lifestyle machen?
Ob Laufen ein fester Bestandteil des Lebens wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Nicht jede:r kann Laufen direkt als Lifestyle integrieren. Für einen erfolgreichen Start in ein Leben mit Laufen als Lifestyle sind einige Voraussetzungen hilfreich. Zum Beispiel ist es hilfreich, wenn man bereits Erfahrungen mit Laufen hat. Medizinische und orthopädische Diagnosen können Einschränkungen mit sich bringen, die man auf jeden Fall berücksichtigen sollte.
Wenn die grundlegenden Voraussetzungen gegeben sind, ist es entscheidend, das Training passend zu gestalten und zu strukturieren. Besonders nach Verletzungen ist eine langsame Steigerung der Laufintensität und -dauer ratsam. Der Körper kann sich so schonend an die neue Belastung gewöhnen. Um Überlastungen effektiv zu vermeiden, hat sich eine Steigerung der Laufdistanz oder -intensität von maximal 10% pro Woche bewährt. Außerdem empfiehlt sich polarisiertes Training (80/20-Prinzip).
Neben dem Training ist natürlich die Regeneration entscheidend. Angemessene Pausen sind unerlässlich, damit sich der Körper ausreichend erholen und anpassen kann. Ideal sind 48 Stunden Pause zwischen intensiven Trainingseinheiten. Ein gutes Körpergefühl und das aufmerksame Hören auf die Signale des Körpers können gute Helfer sein. So lassen sich Überlastungssymptome frühzeitig erkennen und das Training entsprechend anpassen. Wenn es schwerfällt, feste Pausentage einzuplanen, kann es außerdem hilfreich sein, sich an alltäglichen Gegebenheiten zu orientieren wie Verabredungen und Termine.
Laufen zum Lifestyle machen – Alltagstipps
Um Laufen zu einem festen Bestandteil des Lebens zu machen, ist es oft notwendig, den Alltag entsprechend anzupassen oder umgekehrt. Wie bereits erwähnt, lässt sich die Regeneration gut an die persönlichen Verpflichtungen anpassen. Aber auch für das Training selbst gibt es alltagstaugliche Lösungen. Zum Beispiel kann auch ein auf das Wochenende konzentriertes Training effektiv sein, sofern unter der Woche ausreichend Zeit für die Erholung des Körpers eingeplant wird. Paul erzählt, dass Studien nach kein signifikanter Unterschied in der Leistungsentwicklung im Vergleich zu Läufern festgestellt werden konnte, die ihr Training gleichmäßig über die gesamte Woche verteilen.
Wenn nicht die gesamte Wochenendzeit dem Laufen gewidmet werden soll, gibt es jedoch auch Möglichkeiten, das Training in die Werktage zu integrieren. Das sogenannte “Run Commuting”, also das Laufen zur Arbeit oder von der Arbeit nach Hause, ist eine effiziente Methode, um Training in den Arbeitsweg zu integrieren. Die Bereitstellung von Wechselkleidung und Duschmöglichkeiten am Arbeitsplatz ist hierbei natürlich entscheidend. Ein konkretes Ziel, wie beispielsweise das regelmäßige Zurücklegen des Arbeitsweges von 15 Kilometern laufend, kann die Motivation zusätzlich steigern.
Auch mit Kindern lässt sich das Laufen in den Alltag integrieren. Das Training mit einem Babyjogger ist eine gute Möglichkeit, Bewegung und Familienzeit miteinander zu verbinden. Das Ausprobieren verschiedener Techniken beim Schieben oder Ziehen des Joggers sorgt zudem für eine abwechslungsreiche Belastung – so Paul.
Vorsicht geboten!
Die Regeneration haben wir schon oft genug erwähnt, trotzdem ist es wichtig, sie auch hier nochmal hervorzuheben. Denn wenn man Laufen zum Lifestyle machen möchte, kann es durchaus passieren, dass man zu schnell zu viel will. Es gibt definitiv ein “zu viel” an Laufen. Laufsucht manifestiert sich durch zwanghaftes Verhalten, obwohl man sich der schädlichen Konsequenzen bewusst ist. Ein typisches Beispiel ist das Laufen trotz eines ärztlichen Verbots oder trotz starker Schmerzen.
Es ist daher unerlässlich, die Signale des Körpers ernst zu nehmen, um negative Folgen zu vermeiden. Laufen kann zu Verletzungen führen, wenn es in einem zu hohen Umfang betrieben wird oder körperliche Voraussetzungen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Bestehende Achsfehlstellungen und Übergewicht können das Risiko für Verletzungen deutlich erhöhen. Auch erfahrene Läufer sind nicht vor Überlastung gefeit, wenn sie die Intensität und Häufigkeit ihrer Trainingseinheiten nicht sorgfältig steuern.
Eine effektive Regeneration ist unerlässlich, um Überlastungen vorzubeugen, die Leistungsfähigkeit langfristig zu erhalten und den positiven Effekt des Laufens auf den Körper zu maximieren. Sowohl längere geplante Pausen im Laufe des Jahres als auch die Integration von aktiver Erholung in Form von Mobilitätstraining oder Krafttraining sind sinnvolle Maßnahmen, um die Regeneration zu fördern.
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