Der Mythos, dass wir durch mehr Muskelmasse langsamer laufen, hält sich hartnäckig – dabei machen wir Läufer:innen tendenziell sogar zu WENIG Krafttraining. Welche gesundheitlichen und sportlichen Vorteile wir aus mehr Muskelmasse schöpfen, erklärt Prof. Dr. Dr. Jürgen Gießing, unser Experte für Krafttraining, in der neuen ACHILLES RUNNING Podcastfolge.
Warum brauchen wir Muskeln (als Läufer:innen)?
Viele Läufer:innen machen sich Sorgen, dass der Aufbau von Muskelmasse ihre Ausdauerleistung negativ beeinflussen könnte. Tatsächlich erhöht Muskelmasse das Körpergewicht, was sich teils negativ auf die Laufökonomie auswirken kann. Gleichzeitig verbessert Krafttraining jedoch die Effizienz der Muskulatur und trägt zur Stabilisierung des Körpers bei, was zum Beispiel hilft Verletzungen vorzubeugen.
Der Erhalt von Muskelmasse ist jedoch nicht nur für Läufer:innen essenziell, sondern auch für die allgemeine Gesundheit. Ab dem 25. Lebensjahr beginnt der natürliche Abbau von Muskeln, wenn keine gezielten Gegenmaßnahmen wie Krafttraining ergriffen werden. Ohne regelmäßiges Training verliert der Körper jährlich etwa ein Prozent seiner Muskelmasse, und ab dem 50. Lebensjahr beschleunigt sich dieser Prozess erheblich. Krafttraining kann diesen Abbau verlangsamen und so die Mobilität sowie die Lebensqualität bis ins hohe Alter erhalten. Ein Mangel an Muskeln erhöht außerdem das Risiko für Stoffwechselerkrankungen, führt schneller zu Ermüdung und beeinträchtigt die Fettverbrennung sowie die Energieeffizienz des Körpers, erzählt Jürgen. Aus diesen Gründen ist der gezielte Muskelaufbau sowohl für die sportliche Leistung als auch für die langfristige Gesundheit unverzichtbar.
Wie trainieren wir am besten?
Der Aufbau von Muskelmasse wird teilweise durch genetische Faktoren beeinflusst. Mit einem gezielten Trainingsplan können jedoch alle Läufer:innen Fortschritte erzielen. Dabei sollte der gesamte Körper trainiert werden, um Verletzungen vorzubeugen und die Lauftechnik zu verbessern. Die Core-Muskulatur sorgt beispielsweise für Stabilität und die Wadenmuskulatur unterstützt die Sprungkraft. Aber auch die Schulter- und Armmuskulatur spielt eine wichtige Rolle bei der Laufbewegung, was jedoch nicht selten von Läufer:innen unterschätzt wird.
Für einen guten Muskelaufbau ist eine progressive Überlastung entscheidend, da sie die Trainingsbelastung schrittweise erhöht und die Muskeln so kontinuierlich fordert. Besonders effektiv ist dabei die Kombination aus Übungen mit freien Gewichten, Geräten und dem eigenen Körpergewicht. Geräte bieten geführte Bewegungen und sind ideal für Anfänger:innen, um die Technik sicher zu erlernen. Eigengewichtsübungen ergänzen das Training, da sie Koordination und Stabilität fördern. Auch bei den Übungsarten gibt es keine klare „bessere“ Wahl zwischen isometrischen und dynamischen Übungen. Beide Varianten haben spezifische Vorteile und ergänzen sich ideal, um Kraft und Stabilität gezielt aufzubauen. Ähnlich verhält es sich mit Ganzkörper- und isoliertem Training: Während Ganzkörpertraining effizient ist und die Funktionalität stärkt, ermöglicht isoliertes Training die gezielte Arbeit an Schwächen. Läufer:innen profitieren jedoch besonders von einem funktionalen Ganzkörpertraining, das Bewegungsabläufe fördert, die sie direkt beim Laufen benötigen.
Die Regeneration ist auch ein wichtiger Teil des Trainings. Muskeln wachsen nämlich nicht während des Trainings, sondern in den Erholungsphasen. Dabei sollte die Pausenlänge an die Trainingsintensität angepasst werden, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. Nur durch eine gute Balance aus Training und Erholung wird der Muskelaufbau effektiv.
Die richtige Ernährung für die Muskeln
Wie auch beim regulären Lauftraining spielt eine ausgewogene Ernährung eine entscheidende Rolle für den Muskelaufbau und die Regeneration. Kohlenhydrate liefern die notwendige Energie für intensive Trainingseinheiten, während Fette wichtige hormonelle Prozesse im Körper unterstützen. Auch Mikronährstoffe wie Magnesium und Zink sind essenziell, da sie den Stoffwechsel anregen und die Regeneration fördern.
Besonders wichtig für den Muskelaufbau ist jedoch die ausreichende Zufuhr von Proteinen, die die Reparatur und das Wachstum der Muskulatur unterstützen. Der Zeitpunkt der Proteinaufnahme kann dabei einen Unterschied machen. Direkt nach dem Training ist die Aufnahme besonders effektiv, da in den sogenannten „anabolen Zeitraum“ – eine Phase von etwa ein bis zwei Stunden nach dem Training – der Körper besonders gut Nährstoffe aufnehmen und für den Muskelaufbau nutzen kann. Die Einnahme von Proteinen vor dem Schlafengehen kann die nächtliche Regeneration unterstützen. Und die morgendliche Proteinzufuhr hilft, die Muskelmasse langfristig zu erhalten.
Kreatin ist eine weitere wertvolle Ergänzung für den Muskelaufbau, auf die wir in der Folge mit Jürgen nochmals näher eingehen. Diese natürliche Substanz kommt vor allem in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch und Fisch vor. Kreatin unterstützt die kurzfristige Energieproduktion in den Muskeln und ist besonders effektiv für Kraft- und Schnellkrafttraining. Studien belegen, dass es die Muskelkraft steigern und die Regeneration beschleunigen kann. Menschen, die sich vegan oder vegetarisch ernähren, haben oft niedrigere Kreatinspeicher, da pflanzliche Lebensmittel kaum Kreatin enthalten. In solchen Fällen können Kreatin-Supplemente eine sinnvolle Alternative sei
Welche Übungen besonders effektiv sind, wie ihr Muskelkater vorbeugen könnt und ob High-Protein-Produkte wirklich notwendig sind, erfahrt ihr in unserer neuen Folge. Hört rein – auf Spotify, Apple Podcasts oder überall dort, wo es Podcasts gibt!