Kalte Pizza? Ungekochte Spaghetti? Das soll schmecken? “Na klar”, sagt Koch Boris Lauser. Im Interview erklärt er, wie er aus Lebensmitteln ein veganes Gourmet-Essen ohne Herd zaubert – und was die größten Irrtümer über Rohkost sind.
Herr Lauser, Rohkost-Koch ist ja ein Widerspruch in sich. Was sind Sie denn genau?
Ich sage immer: Gourmet Raw Chef und Culinary Artist – weil es gut klingt. Auf Deutsch habe ich leider noch keine richtige Bezeichnung gefunden. Rohkost-Chef passt aber auch: Ich bereite ja Speisen zu.
Sie verstehen sich als Künstler?
Eine Köchin oder ein Koch ist jemand, die*der in einem Restaurant unter Anleitung eigenständig sehr gut nachkochen kann. Chefs sind kreative Köpfe, die neue Rezepte kreieren, mit Geschmäckern und Konsistenzen spielen, lehren und unterrichten.
So sehe ich mich eher. Ich verstehe mich aber vor allem als Trainer. Das ist meine Haupteinnahmequelle.
“Rohkost-Gemüse ist gesünder”
Sie zeigen anderen, wie man ohne Backofen und Herd vegane Speisen zubereitet. Womit arbeiten Sie denn?
Ich verwende Mixer, Küchenmaschinen und Dörrofen – das sind kleine Boxen, die bei 42 Grad warme Luft übers Essen blasen, damit die Feuchtigkeit entweicht.
Es wird also leicht erhitzt, aber so, dass alle Nährstoffe enthalten bleiben. Ab 42 Grad gehen viele Vitamine, Mineralstoffe und Enzyme verloren. Zudem verändert sich die chemische Struktur von Proteinen und Fetten. Deshalb ist Rohkost-Gemüse gesünder.
Die meisten Menschen haben genau deswegen ungute Assoziationen. Vegetarisch und vegan essen liegt ja im Trend. Aber Rohkost? Das klingt nach Karottensticks und Kräuter-Dip. Macht nicht gerade Appetit.
Nee, absolut nicht. Der Begriff Rohkost ist auf jeden Fall negativ belastet. Man denkt an Salatbars aus den neunziger Jahren. Aber das hat mit dem, was ich mache, überhaupt nichts zu tun.
“Die meisten denken, dass man nur Salat essen kann.” Was kommt bei Ihnen auf den Tisch?
Man kann im Grunde jedes Gericht in einer Rohkost-Variante anbieten. Ich mache zum Beispiel Spaghetti Bolognese, Pizza, lauwarme Suppen …
Lauwarme Suppen? Vermissen Sie nicht dieses wohlig-wärmende Gefühl im Bauch beim Essen?
Nein, ich esse ja selber Gekochtes – ich bereite es nur nicht selber zu. Meine Ernährung besteht zu rund 70 Prozent aus Rohkost.
Da bin ich völlig undogmatisch, ich esse eigentlich alles – sogar Fisch und Fleisch, aber ich lege Wert auf höchste Qualität. Ich esse keine fabrikverarbeiteten Produkte, keinen Weißzucker, kein Weißmehl.
Was sind die größten Irrtümer bei der Zubereitung von Rohkost?
Die meisten denken, dass man nur Salat essen kann und dass Essen langweilig wird. Das ist falsch. Wer meine Gerichte kennt, weiß, dass es superleckere, spannende Küche ist, bei der man nichts vermisst.
Viele haben auch Angst, dass es einem bei veganer Rohkost an Proteinen mangelt. Das ist ein großer Mythos. Der Bedarf wird voll gedeckt.
Weniger Kalorien, längeres Leben
Halten Sie Rohkost für gesünder als andere Kost?
Ich hatte früher eine ganz schlimme Pollenallergie, die ich mit Kortison behandeln musste. Mittlerweile habe ich zwei Tage im Jahr juckende Augen und das war’s. Ich hatte auch schlimme Hautprobleme – jetzt habe ich eine total gesunde Haut.
Studien haben gezeigt, dass kalorienreduzierte Ernährung zu einem längeren Leben führt. Nahrungsmittel-Intoleranzen kannst du damit eindämmen.
Das klingt nach einem Allheilmittel – es gibt aber sicher auch Nachteile.
Es gibt in jedem Fall Nachteile von Rohkost-Ernährung – wenn man sie falsch angeht. Ich denke eh nicht, dass alle Menschen zu hundert Prozent Rohkost essen sollten. Am Anfang der Umstellung kann es erst mal schwer sein, aber wenn sich der Körper erst einmal daran gewöhnt hat, hat er viel weniger zu tun, Dinge aufzuspalten und daher mehr Energie zur Verfügung. Man fällt nicht mehr in ein Hungerloch und ist satt, ohne voll zu sein.
“Mein Essen ist schneller fertig als ein Fertiggericht”
Rohkost-Küche ist aber aufwendig, oder?
Jein. Generell finde ich, sollte jede*r sich darüber Gedanken machen, wie sie*er seine Freizeit gestalten möchte und welche Werte wichtig sind.
Man sollte wieder mehr selbst machen. Ich glaube, dass viele Volkskrankheiten daher kommen, dass wir zu Fertiggerichten greifen. Es hat einen unheimlichen Wert, sein Essen selbst zuzubereiten – ob Rohkost oder nicht.
Und wenn man kocht, sind Rohkost-Gerichte oft schneller. Mein Standardgericht sind Spaghetti Bolognese mit Zucchini-Nudeln. Die Tomatensoße dazu ist in zwei Minuten zubereitet. Das Essen ist schneller fertig als ein Fertiggericht.
Zur Person: Vor seiner Karriere als Rohkost-Koch, hat Lauser Wirtschaftsingenieurwesen in Karlsruhe studiert und einen Master in Computer Science in den USA abgeschlossen. Die Rohkost-Lieblingsrezepte des 37-Jährigen sind Sushi mit Wurzelgemüse, Spaghetti Bolognese und vor allem Salat mit Avocado.